Urteil des EU-GerichtsAmazon muss in Luxemburg keine Steuern nachzahlen

Die EU-Kommission habe dem Handelskonzern Amazon 2017 zu Unrecht eine Steuernachzahlung von 250 Millionen Euro aufgebrummt, urteilt ein EU-Gericht. Doch das letzte Wort in dem Fall dürfte noch nicht gesprochen sein.

Amazons Europa-Hauptquartie
Amazons Europa-Sitz ist in Luxemburg CC-BY-SA 4.0 -wuppertaler, Bearbeitung netzpolitik.org

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat im Steuerstreit mit Luxemburg gegen die EU-Kommission entschieden. Die Behörde habe Amazon 2017 zu Unrecht eine Steuernachzahlung von 250 Millionen Euro an seiner Europazentrale in Luxemburg aufgebrummt, urteilte das Gericht am heutigen Mittwoch.

Die EU-Kommission kämpft seit Jahren gegen Steuervermeidung durch Amazon, Apple und andere Konzerne. Im Kern geht es um die Frage, ob Steuerdeals der Firmen an ihren europäischen Hauptsitzen in Irland und Luxemburg als illegale Staatshilfe einzustufen sind. Durch ein spezielles Arrangement mit den irischen Behörden zahlte Apple in Irland etwa 2014 nur 0,0005 Prozent Körperschaftssteuer auf Einnahmen aus seinem europäischen Geschäft.

Die EU-Kommission hatte Amazon bereits vor vier Jahren zu einer riesigen Steuernachzahlung in Luxemburg verdonnert, da es sich bei auf den Konzern maßgeschneiderten Steuervergünstigungen in dem kleinen Staat um „unzulässige Beihilfen“ gehandelt habe. Amazon habe die Abrechnung von Lizenzgebühren zwischen verschiedenen europäischen Tochterfirmen künstlich aufgebläht, um Steuerzahlungen zu entgehen. Dies sei von den luxemburgischen Behörden explizit gebilligt worden.

Amazon klagte gegen die Nachzahlung und behielt nun Recht – vorerst. Das Gericht urteilte, dass die EU-Kommission nicht in ausreichendem Maße bewiesen habe, dass die Steuerarrangements von Amazon in Luxemburg eine unzulässige Bevorzugung des Konzerns darstellten.

Doch das nun getroffene Urteil dürfte nicht der letzte Schritt im Verfahren sein. Als letzte Instanz kann die EU-Kommission noch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen, eine Entscheidung dort könnte allerdings Monate oder sogar Jahre dauern. Die heutige Entscheidung des EU-Gerichts folgt einem ähnlichen Urteil der gleichen Instanz im Fall Apple, wo das Gericht die 13-Milliarden-Nachzahlung gegen den Konzern in Irland vorerst wieder aufhob.

Amazon zahlte auch 2020 keine Körperschaftssteuer in Luxemburg

Erst vor wenigen Tagen wurde unterdessen bekannt, dass Amazon auch im Vorjahr auf sein Pandemie-Rekordeinkommen von 44 Milliarden aus verschiedenen europäischen Staaten in Luxemburg überhaupt keine Körperschaftsteuern bezahlt hat. Ein Sprecher von Amazon betont, das Unternehmen zahle „alle anwendbaren Steuern in allen Ländern, in denen wir agieren“, allerdings seien die Gewinne wegen hoher Investitionen und niedriger Margen gering ausgefallen.

In Deutschland war Amazon zuletzt auch wegen Streiks von Beschäftigten in mehreren deutschen Lieferzentren im Gespräch. Die Gewerkschaft ver.di beklagt niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen bei dem Konzern. Der Internationale Gewerkschaftsbund verlieht Amazon deswegen sogar den Titel des „schlechtesten Arbeitgebers der Welt“.

2 Ergänzungen

  1. Sicherlich, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Aber welche Entwicklung führte bis dahin?

    Womit hat es begonnen, was kaum anders als mit eklatantem Staatsversagen bezeichnet werden kann, wenn gerade die zahlungskräftigsten Unternehmen faktisch steuerbefreit gestellt werden? Vor jeder Imbiss-Bude hingegen steht prompt der Gerichtsvollzieher, wenn Steuern nicht pünktlich bezahlt werden.

    Man könnte sich auch fragen, welche Wirtschaftsförderung mit genau jenen Steuergeldern möglich gewesen wäre, die Amazon, Apple, Google & Co. einzelnen Nationalstaaten nicht bezahlt haben. Und man darf sich auch Gedanken darüber machen, welches Steueraufkommen Kranken- und Altenpfleger, Sozialarbeiter und andere Dienende pünktlich vom Lohn abgezogen bekommen und mit welchem Geld marode Brücken saniert werden müssen.

    Wer gerade als florierendes und kapitalkräftiges Unternehmen den Staat um seine existentiell erforderlichen Einnahmen bringt, schädigt Staat und Gesellschaft nachhaltiger, als es gewalttätige Terroristen jemals könnten. Ein vergleichendes Ausmaß schädigender wirtschaftlicher Aktivitäten erreichen sonst nur Drogenkartelle und mafiöse Strukturen, wobei der Erfolg letztgenannter teilweise auch mit Einflussnahme auf relevante staatliche Institutionen erklärt werden muss.

    Worin besteht nun die Einflussnahme von Amazon, Apple, Google & Co. schon im Vorfeld potentiell krimineller Steuerverkürzungen? Wer wird beauftragt, geeigneten Einfluss zu nehmen? Und wer beugt sich dann der Wirtschaftsmacht an entscheidender Stelle?

    Mit Filz und Fett lässt sich gestalten, nicht nur in gestaltender Kunst, sondern auch in der Kunst der Gestaltung von Recht und Sondervereinbarungen, womit ohne jeden Zweifel die Ebenen von Gesetzgebung und Verwaltung gemeint sind.

    Wenn die Übernahme von Verantwortung dort lediglich darin besteht, dass die Geltung eines geleisteten Amtseids spätestens dann straffrei beendet wird, wenn dem öffentlichen Druck nicht mehr standgehalten werden kann, dann sollte man den Begriff „Verantwortung“ im Bereich von von Gesetzgebung und Verwaltung endgültig tilgen.

    Wenn nach Schamfrist schon lukrative Beschäftigungen im Bereich kreativer Wirtschafts- oder Politikberatung warten, wie will man das nennen? Vorzeitiger und wohlverdienter Altersruhestand?

    Noch nie war Steuer- und Finanzverwaltung so dysfunktional wie heute.

  2. Jeff Bezos, Gründer von Amazon Inc. und Eigentümer der „Washington Post“, wurde 2018 mit dem Axel Springer Award geehrt. Mit der Auszeichnung wurde Bezos „visionäres Unternehmertum“ in der Internetwirtschaft gewürdigt.

    Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender Axel Springer SE: „Jeff Bezos ist Preisträger des Axel Springer Award 2018, weil er vor fast einem viertel Jahrhundert als Erster das Potenzial des Warenhandels im Internet erkannte und mit Amazon ein globales Unternehmen erfunden und zu „einzigartigem wirtschaftlichen Erfolg“ geführt hat.

    Das war vor gerade mal 24 Monaten. Ehre und Würdigung. Auszeichnung durch den Axel Springer Verlag. Von Mathias Döpfner. Wer „ehrte“ da wen? warum? wofür?

    Braucht einer wie Bezos diese Anerkennung oder Aufmerksamkeit? Oder erscheint das wenigstens jetzt im Rückspiegel jetzt als höchst peinlich für Herrn Döpfner? Sicherlich, fremdschämen tun sich ja immer die anderen.

    Wie ist es denn bestellt, um dieses sogenannte „visionäres Unternehmertum“? Ist das die Vision eines globalen Raubzugs, die eine Einzelperson zur „wealthiest person on earth“ machte?

    Worin besteht dieser „einzigartige wirtschaftliche Erfolg“ denn? Aus nahezu undurchschaubaren und aggressiven Steuervermeidungssystemen?

    War das Aufmunterung zur Nachahmung, Herr Döpfner, oder doch nur ein Versuch am globalen Speichelfluss ein wenig zu lecken?

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